Welche Abrechnungsmodelle gibt es für Software-Projekte?
Serie: Kosten von Individualsoftware
Ihr habt euch entschieden — ihr braucht individuell für euch entwickelte Software. Einen Überblick zu den anfallenden Kosten in Software-Projekten könnt ihr in unseren anderen Artikeln aus der Reihe bekommen:
Teil 1: Was kostet Individualsoftware?
Teil 3: Wie behaltet ihr die Entwicklungskosten eures Software-Projekts unter Kontrolle?
Nun wollt ihr erfahren, welche Abrechnungsmodelle es gibt? Wir erklären euch in unserem zweiten Teil der Miniserie, was ihr wissen müsst, um gängige Konzepte unterscheiden und verstehen zu können.
Inhaltsverzeichnis:
Festpreismodelle
Die traditionelle Art der Abrechnung von individuellen Software-Projekten sind Festpreismodelle. Das bedeutet, dass ihr euch mit dem Softwarehersteller von Anfang an auf einen Preis für die Umsetzung der Software einigt. Der Auftragnehmer schätzt dafür vorab den gesamten Projektaufwand ein – inklusive möglicher Korrekturschleifen. Zusätzlich planen seriöse Anbieter einen Sicherheitspuffer mit ein, um unvorhersehbare Aspekte abzudecken.
Das klingt erstmal prima, denn so könnt ihr mit festen Größen für Investitionen planen. Der Anbieter übernimmt dabei zunächst das Risiko für Überschreitungen der geplanten Aufwände.
Das Ganze hat aber auch Nachteile. Die Übernahme des Budget-Risikos lassen sich Anbieter im Regelfall bezahlen – und das resultiert in erhöhten Kosten für euch.
Dazu kommt, dass es auch für euch als Auftraggeber bei komplexen Systemen fast unmöglich ist, alle Aspekte und Funktionen exakt vorzudenken. Selbst bei präzise ausgearbeiteten Entwürfen und Anforderungen gibt es fast immer Änderungswünsche, wenn die Software dann tatsächlich ausprobiert werden kann. Das ist auch nicht verwunderlich – Softwareprojekte sind komplex und gute Nutzererlebnisse entstehen durch wiederholtes Testen und Überarbeiten. Während längerer Projekte ergeben sich zudem oft Veränderungen durch neue Nutzerbedürfnisse, technologische Innovationen oder die Weiterentwicklung des Marktes. Das resultiert in Änderungen der Anforderungen (sogenannten “Change-Requests”) im Projektverlauf. Sie müssen bei einem Festpreisprojekt separat verhandelt werden und erhöhen die Kosten später dann doch.
Wollt ihr die Kosten vorab festlegen, könnt ihr nur mit Schätzungen arbeiten, was sich gerade bei großen Projekten schwierig gestaltet. Schwarze Schafe unter den Anbietern locken zunächst mit günstigen Festpreisen, um einen Vertragsabschluss zu erzielen. Ist dann das Ende des Budgets erreicht, stellen sie Nachforderungen an euch. Streitigkeiten sind vorprogrammiert. Solche Praktiken lehnen wir ab, aber leider hören wir immer wieder davon.
#wunschTipp: Festpreismodelle vermitteln häufig eine falsche Sicherheit. Oft genug führen sie dazu, dass nicht die Ergebnisqualität herauskommt, die ihr braucht. Ist der Kostenrahmen zu eng gesetzt, zwingt ein vorab festgelegter Funktionsumfang die Software-Entwickler dazu, am Ende am Feinschliff zu sparen – oder doch noch Nachforderungen zu stellen. Wir empfehlen euch ein Festpreismodell daher nur bei kleinen oder sehr klar umrissenen Aufgaben. Die meisten Unternehmen werden diese Option gar nicht mehr anbieten, denn in der Praxis sind sie für Individualprojekte kaum fair umsetzbar. Entweder zahlt am Ende der Anbieter oder der Kunde drauf – beides nicht wünschenswert.
Time and Material
Möchtet ihr stattdessen den tatsächlich anfallenden Aufwand bezahlen, ist Time-and-Material der bessere Weg. Dieses Vorgehen wird sehr oft in agilen Projekten verwendet und ist vor allem dann sinnvoll und nützlich, wenn nicht alle Anforderungen von Anfang an klar sind. Besonders bei Neuentwicklungen ist dies eher die Regel als die Ausnahme.
Über Time-and-Material kann der Aufwand für die Budgetabstimmung zum Start des Projekts reduziert werden. Ihr zahlt genau das, was an Ressourcen tatsächlich gebraucht wird. Damit werden aufwändige Detail-Schätzungen und spätere Nachverhandlungen überflüssig. In der Regel gibt es einen fest definierten Sprint-Preis, ihr erhaltet also keine völlig überraschenden Rechnungen, sondern vereinbart vorher, wie groß das benötigte Team ist und welche Kosten sich daraus pro Monat oder Sprint ergeben. Das Modell lässt euch einen klaren Fokus auf die Inhalte des Projekts bewahren, statt mit der Verhandlung von Kontingenten eure Zeit und Ressourcen zu binden.
Die Historie hat gezeigt, dass Projekte auch mit vorab geplanten Budgets selten im vorgesehenen Zeit- und Kostenrahmen abgeschlossen werden und die benötigten Ergebnisse liefern. Aufgrund dieser Erkenntnisse entstanden agile Methoden wie SCRUM. Die vermeintliche Budget-Sicherheit von Festpreisprojekten wird hier durch einen transparenten Modus abgelöst, der offen mit der Tatsache umgeht, dass nicht alle Aspekte komplexer Systeme exakt vorhersehbar sind.
Trotzdem müssen Unternehmen häufig eine interne Budgetkalkulation machen und ihre Investitionen ggf. freigeben lassen. Natürlich ist es auch bei agilen Projekten möglich, vorab Schätzungen für euch zu erstellen und Teilbudgets für Zwischenziele festzulegen. So behaltet ihr über das Projekt hinweg einen guten Überblick über die Kostenentwicklung, auch wenn Schätzungen niemals exakte Vorhersagen sind.
Insbesondere Auftraggeber, die noch keine Erfahrung mit dieser Art von Projekten haben, fürchten im agilen Modus unkontrollierbare Kostenentwicklungen. Das ist aber nicht der Fall. Ein gut durchgeführtes agiles Software-Projekt bietet im Gegenteil zwei entscheidende Vorteile: Ihr erhaltet zum einen die größtmögliche Transparenz über den Projektfortschritt und den Personaleinsatz. Zum anderen erlaubt ein agiles Vorgehen ein kontinuierliches Steuern der Budgetverwendung und der inhaltlichen Ausgestaltung. Damit habt ihr permanent die Kontrolle über die Nutzung eurer Budgets und könnt bei Bedarf Anpassungen vornehmen. Wenn ihr unsicher seid, könnt ihr mit eurem Anbieter vielleicht einen agilen Modus “auf Probe” vereinbaren und zunächst ein Teilprojekt auf diesem Weg umsetzen.
#wunschTipp: Wir empfehlen euch eine Time-and-Material-Abrechnung bei explorativem Vorgehen. Es ergibt primär bei Projekten Sinn, bei denen etwas Neues geschaffen wird und noch eine gewisse Variabilität in der konkreten Ausgestaltung vorhanden ist. Lasst euch hierzu beraten und wählt Software-Partner, zu denen ihr ein vertrauensvolles Verhältnis habt.
Sonstige Modelle
Natürlich gibt es noch andere Modelle bei der Finanzierung eines Software-Projekts. Vielleicht hat euer Projekt oder ein Feature daraus das Potenzial, auch anderen Kunden eures Software-Partners angeboten zu werden? Unter Umständen ist der Auftragnehmer dann bereit, sich an den Entwicklungskosten zu beteiligen – wenn ihr ihm im Gegenzug Nutzungsrechte einräumt.
Im Extremfall kann er die Entwicklung auch komplett vorfinanzieren. Im Austausch gehören ihm dann die Lizenzrechte der Software oder einzelner Module. Ihr zahlt in diesem Fall periodische Lizenzkosten, wie es häufig bei Standardsoftware gemacht wird. Dann seid ihr statt Eigentümern eher bevorzugte Pilotkunden mit der Option, die Entwicklungsroadmap mitzugestalten.
Eine weitere Möglichkeit ist, dass die Entwicklungskosten durch Geschäftsanteile ausgeglichen werden. Dieses “IT for equity” Modell ist vor allem für Start-ups interessant, die nur ein kleines oder gar kein eigenes IT-Team haben, oder für Joint-Ventures mit IT-Partnern. Das Modell schafft deckungsgleiche Ziele zwischen den Partnern und ist daher häufig für beide Seiten attraktiver als normale Vertragsbeziehungen.
Fazit
Es gibt verschiedene Modelle mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen in der Abrechnung.
Festpreis: Eine feste Summe wird für euer Projekt vereinbart, unabhängig von der tatsächlich benötigten Zeit. Spätere Anpassungen des Budgets können jedoch nötig werden.
Time-and-Material: Hier wird der Aufwand für die Entwicklung der Software basierend auf der tatsächlich benötigten Zeit abgerechnet. Ihr bezahlt also nur die wirklich geleistete Arbeit.
Sonstiges: Hybridmodelle oder Lizenzkosten stellen alternative Finanzierungsmöglichkeiten dar. Sie können im Einzelfall vereinbart werden.
Unabhängig vom gewählten Abrechnungsmodell sind die Kosten — und vor allem ihre Kontrolle — bei der Entwicklung von Software ein wichtiges Thema. Deswegen werden wir euch im dritten Teil dieser Serie zeigen, welche Kostentreiber es gibt und wie ihr sicherstellt, dass euer Projekt finanziell so vorteilhaft verläuft wie möglich. Bis dahin!
Möchtet ihr mehr darüber erfahren, wie sich die Kosten in eurem konkreten Anwendungsfall verhalten würden? Dann kommt einfach auf uns zu! Das geht schnell und unkompliziert über unser Kontaktformular.
Mehr aus dieser Serie: Kosten von Individualsoftware
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